APOTIPP           Medizin – Nobelpreis für den Magenteufel

„Helicobacter pylori“

1984 wollte der Mikrobiologe und Arzt Barry Marshall von der Uni Perth (Australien) zusammen mit dem Pathologen Robin Warren in einen Selbstversuch nachweisen, dass das Bakterium Helicobacter pylori Magengeschwüre und –krebs auslösen kann. Er trank eine Lösung mit den Keimen und erkrankte an schwerer Gastritis, die er wieder mit Antibiotika heilen konnte. 2005 bekamen die Forscher für die neuen Erkenntnisse über das Auslösen und Heilen von Magen- und Zwölffingerdarm- Ulcera den Medizin-Nobelpreis.

Das Nobelpreiskomitee: "Dank der Pionierleistung von Marshall und Warren sind peptische Ulzera nicht mehr eine chronische und oft schwer belastende Erkrankung, sondern eine Krankheit, die durch eine kurze Antibiotika -Therapie und Medikamente zur Blockade der Magensäureproduktion geheilt werden kann." Davon haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Millionen Menschen profitiert.

Das Bakterium

Helicobacter pylori (HP), synonym Campylobacter pylori, ist ein Bakterium, das schon seit Jahrtausenden die Menschen begleitet. Der Keim hat Mechanismen entwickelt, trotz des extrem sauren pH-Wertes des Magens zu überleben.

Der nur drei tausendstel Millimeter große, längliche, spiralförmige Keim hat eine glatte Oberfläche. Durch seine 2-6 Flagellen, die an einem Pol entspringen, erreicht der Keim eine hohe Mobilität. Mit raschen schraubenförmigen Bewegungen gleitet er durch die Mucusschicht des Magens oder des Zwölffingerdarmes. Dort produziert das Bakterium Ammoniak durch Spaltung von Harnstoff. Außerdem blockiert es die Protonenpumpe, sodass sich der Magen- p.H. in seiner Umgebung erhöht und es kann sich im selbst geschaffenen neutralen Milieu vermehren. Der Keim produziert Toxine, die die Immunabwehr im Magen stoppen. Die Schleimhaut im Magen oder Zwölffingerdarm entzündet sich, Blutungen und Geschwüre treten auf.

Bei einem Geschwür kommt es zu einem Defekt der Schleimhaut. Es können in tieferen Gewebsschichten kraterförmige Wunden entstehen und sogar Blutgefäße können betroffen sein, sodass es zu lebensgefährlichen Blutungen oder auch zu einer Bauchhöhlenentzündung kommen kann. Bei Magengeschwüren (Ulcus ventriculi) treten die Schmerzen meist sofort nach dem Essen auf, bei Zwölffingerdarmgeschwüren (Ulcus duodeni) bessert Essen häufig die Oberbauchschmerzen.

Die Ansteckung erfolgt meist im Kindes- und Jugendalter, etwa 50% der westlichen Bevölkerung trägt den Keim in sich, in den Entwicklungsländern sogar 75%.  Ein häufiger Ansteckungsweg ist vermutlich die orale Übertragung, oft schon in früher Kindheit, von der Mutter auf das Kind, aber auch niedrige hygienische Bedingungen begünstigen eine Infektion. Helicobacter pylori lebt nur im Menschen, wird nicht über die Luft oder Wasser übertragen. Spätere Infektionen sind seltener, das Risiko für Menschen in der Umgebung eines Keimträgers ist gering.

Die Inkubationszeit beträgt fünf Tage, es kommt zu einer unspezifischen Gastroenteritis mit Übelkeit, Erbrechen, Anstieg des Magen- p.H. auf 7. Nach einigen Tagen entsteht eine chronische Gastritis, die lebenslang unerkannt bleiben kann, oder es tritt irgendwann bei 10% der Infizierten eine aktive Gastritis auf  mit  Folgererkrankungen wie Ulkuserkrankung oder sogar Magenkarzinom.

Das Karzinomrisiko bei HP- Gastritis ist um 3% erhöht, sodass die WHO den Keim als karzinogen der Klasse 1 gewertet hat.

Bei vielen Patienten (30%) mit Magenerkrankungen kann das Bakterium aber nicht nachgewiesen werden. Meist sind die Ursachen dieser Beschwerden auf falsche Lebensweise (Rauchen, Alkohol, Stress) oder eine Medikamenteneinnahme von z.B. Antirheumatika zurückzuführen.

Es muss auch erwähnt werden, dass eine Beseitigung von H. pylori nicht bei allen Patienten mit Beschwerden im Magen und Zwölffingerdarm erfolgreich ist.

Nachweis

1.  Antikörpertiter im Blut bestimmen:  der Patient bildet bei einer Infektion mit dem Erreger Antikörper gegen diesen. Allerdings bleiben die Antikörpertiter auch lange Zeit nach einer erfolgreichen Behandlung der Infektion erhalten.
2.  C 13- Harnstoff-Atemtest: der Patient nimmt eine Testmahlzeit zu sich, die einen C 13 markierten Harnstoff enthält. Liegt eine Infektion mit Helicobacter pylori vor, wandelt dieser den Harnstoff um und setzt dabei das entsprechend markierte Kohlendioxid frei. Dieses wird abgeatmet und mittels eines Massenspektrometers das Verhältnis von C 13 und C 12 bestimmt. Auf diese Weise lässt sich der Erreger mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Der Atemtest gilt heute als Standard bei der Nachsorge bereits behandelter Patienten.
3. 
Endoskopische Untersuchung (Magenspiegelung): der Erreger kann über die Züchtung einer Bakterienkultur aus einer entnommenen Gewebeprobe nachgewiesen werden. Die Untersuchung ist in einer kurzen Narkose vollkommen schmerzlos.

Therapie

Bevor eine medikamentöse  Behandlung gegen HP durchgeführt wird, müssen die genauen Ursachen für die Magenbeschwerden eruiert werden. Da die Resistenzrate gegen Antibiotika immer weiter steigt, sollte keine Therapie bei asymptomatischen Beschwerden durchgeführt werden. Keine Prophylaxetherapie gegen Magenkarzinom oder Ulkus mit Antibiotika vornehmen!

Ein besonderes Therapieschema wurde entwickelt, das auch als „Eradikation“ (Entfernung der bakteriellen Besiedlung) des Helicobacter pylori bezeichnet wird:

Französische Tripeltherapie: Dauer sieben Tage:
1. Clarithromycin: 2x täglich, je 20mg/kg/KG
2.  Amoxicillin: 2x täglich, je 50 mg/kg/KG, bei Penicillinallergie kann auch Metronidazol verwendet werden.
3. 
Protonenpumpenhemmer: Omeprazol, manchmal auch Pantoprazol

Durch diese Therapie sollte es zu einem raschen Abheilen der Läsionen kommen, sowie eine Verhinderung einer  Ausbildung eines Rezidivulkus bei etwa 90% der Infizierten.

 TIPPS zu Beratung bei Magengeschwüren

Führen eines Tagebuches, um die Lokalisation, Dauer, Intensität und Häufigkeit der Magenschmerzen richtig einer Helicobacter – Infektion zuordnen zu können. Bei einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung konnten 128 verschiedene Keime in der Magenschleimhaut gefunden werden.
Nur eine regelmäßige und vollständige Einnahme der Medikamente sieben Tage lang tötet alle Keime ab und schützt vor neuerlichen Ulcera, da eine zweite Infektion mit H. pylori im Erwachsenenalter sehr selten ist. Wenn die Einnahme unter- oder gar abgebrochen wird, besteht die Gefahr, dass die Keime nicht vollständig abgetötet werden und neuerlich Geschwüre auftreten.
Treten wider Erwarten nach einer Behandlung erneut Beschwerden auf, sollte auf jeden Fall der Arzt aufgesucht werden.

Ernährung

Günstig sind basenreiche bzw. basenbildende Lebensmittel (sind reich an Mineralstoffen, besonders Kalium): reifes Obst, Gemüse, Kartoffeln, Milch
Brokkoli hemmt sogar das Wachstum von Helicobacter pylori!
Erhöhte Ballaststoffzufuhr (Vollkornprodukte, Gemüse, Kartoffel) regt die Bildung von Gallensäuren an, sodass weniger Rückfälle von Gastritis auftreten.
Starker Kamillen-, Käsepappel- oder Süßholzwurzel- Tee: einige Tassen täglich sind günstig für eine gesunde Magenschleimhaut.
Durch Fischöle oder Fette mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren wird Prostaglandin gebildet und die Magenschleimhaut besser durchblutet und widerstandsfähiger.
Säureanregende Lebensmittel vermeiden: diese Speisen enthalten ursprünglich keine Säure, sie bilden aber im Verdauungsprozess Säuren. Kaffee, schwarzer Tee, Alkohol, stark zuckerhältige Lebensmittel (Schokolade, Weißmehlprodukte), eiweißhältige Lebensmittel (Fleisch, Wurst, Eier, Käse). Beim täglichen Fleischkonsum von nur 100 Gramm Fleisch und Fleischprodukten ist das Magenkrebsrisiko bei Infizierten fünf Mal höher. Bei nicht infizierten Menschen lässt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Magenkrebs nachweisen.
Saure Lebensmittel können säure- oder basenbildend sein, abhängig von eigenen Stoffwechsel. Saures Obst und Gemüse: Zitrusfrüchte, bestimmte Äpfel, Beeren, Tomaten, Rhabarber, Sauerkraut, sowie Essig, Honig, kohlensäurehaltige Getränke, Joghurt, Sauermilch,…
Bestimmte scharfe Gewürze meiden: Pfeffer, Paprika, Knoblauch, Kren, scharfer Senf.
Dinner Cancelling: Keine Spätmahlzeiten zu sich nehmen, weil sonst die Säureproduktion der Magenschleimhaut in der Nacht zu hoch ist.
Wird nach einer erfolgreichen Behandlung eines Magengeschwürs weitergeraucht, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres wieder ein neues Geschwür zu bilden.
Durch gute Hygiene, beispielsweise im Umgang mit Nahrungsmitteln oder Haushaltsgeräten sowie beim Händewaschen, lässt sich das Risiko einer Infektion reduzieren. Dies gilt vor allem bei Reisen in Länder mit schlechten hygienischen Verhältnissen.


Bei länger anhaltenden oder immer wiederkehrenden Magen- oder Bauchschmerzen suchen Sie bitte den Arzt auf. Haben Sie keine Angst vor einer endoskopischen Untersuchung! So können mögliche Infektionen mit Helicobacter pylori frühzeitig erkannt und die damit verbundenen Krankheiten geheilt werden.

                             Mag. pharm. Eva Fellner          Logo Stadtapotheke Klosterneuburg